Unser Gehirn mag Personen, die es bereits kennt. Das führt dazu: Je öfter man eine Person wiedersieht, umso positiver bewertet man diese. Diese Vertrautheit lässt Menschen attraktiver und sympathischer wirken. Das ist der Mere-Exposure-Effekt.
Ich nenne ihn kurz: Wiedersehensfreude!
Der Kontakt muss nicht besonders positiv sein; er kann neutral sein. So kann es zum Beispiel sein, dass man sich nur auf der gleichen Veranstaltung wahrgenommen hat. Der positive Effekt tritt trotzdem ein!
Es gibt nur eine Ausnahme: Wenn der Kontakt unangenehm war, dann tritt diese positive Verstärkung nicht ein. Wenn es sehr unangenehm war, dann will man eine Person explizit nicht mehr wiedersehen.

Was heißt das für Dich und Deine Freundschaften: Wenn Du Menschen immer wieder siehst, dann wirst Du sie wahrscheinlich mehr mögen.
Ebenso geht es den anderen. Je öfter sie Dich wiedersehen, umso eher werden sie Dich mögen.
Manchmal reicht es schon, dass man sich nur ein einziges Mal gesehen hat.
Kennst Du das? Plötzlich hat man einen Grund, den Mut und das Vertrauen, auf die andere Person zuzugehen:
- „Du warst doch letzte Woche auch schon hier?“
- „Haben wir uns nicht auf der Veranstaltung bei xyz bereits gesehen? Das warst doch Du, oder?“
Und schon lernt man sich kennen.
Das heißt, dass es sich lohnt, immer wieder auf die gleichen Veranstaltungen zu gehen und sich immer wieder zu sehen, auch wenn die erste Kontaktaufnahme vielleicht nicht so erfolgreich war.
Für viele Menschen ist es am Anfang normal, dass man mit neuen Menschen fremdelt, sich vielleicht sogar schüchtern fühlt. Wenn man sich jedoch öfter gesehen hat, dann baut man Vertrauen zueinander auf und fühlt sich wohler – ohne, dass es große Interaktionen braucht.
Je mehr Kontakt Menschen haben, auch zufälligen Kontakt, umso wahrscheinlicher werden sie Freunde[1].
Es gibt eine sehr bekannte Studie, die den Mere-Exposure-Effekt besonders prägnant gemessen hat[2]: In einem Studentenwohnheim hat man festgestellt, dass Studierende eher Freunde wurde, je näher deren Zimmer zueinander waren.
Wohnten die Studierenden im gleichen Wohnheim, dann war die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass sie Freunde wurden, als wenn sie in verschiedenen Wohnheimen wohnten. 65 Prozent der beobachteten Freundschaften lebten im gleichen Wohnheim.
Wenn die Studierenden ihre Zimmer direkt nebeneinander hatten, dann waren sie in etwa der Hälfte der Fälle nach einiger Zeit miteinander befreundet.
Eine Ursache der Freundschaften und den Studenten ist wahrscheinlich, dass sehr ähnliche Menschen zusammenkamen: ähnliches Alter, ähnlicher Bildungshintergrund, ähnliche Lebenslage und ähnliche Zielsetzung für die kommenden Monate (Sie: Gute Freunde sind sehr ähnlich!)
Um die Freundschaften zu entwickeln genügte es dann oft, dass man sich durch die räumliche Nähe oft durch Zufall gesehen hat.
Der Mere-Exposure-Effekte ist auch in der Werbung bekannt: Menschen kaufen eher Produkte, die sie schon mal gesehen haben als völlig unbekannte Produkte.
Das heißt, Du musst eine Werbung nicht unbedingt gut gefunden haben, sondern nur wahrgenommen haben, und schon kaufst Du eher das Produkt als ein anderes.
Nur wenn die Werbung abstoßend und doof wahr, dann kaufst Du eher etwas anderes. Doch die Schwelle dafür ist hoch.
Unser Nervensystem mag Sicherheit – besser gesagt, einen gewissen Korridor an Sicherheit. Wenn wir jemanden nicht kennen, dann ist es unsicher, wie diese Person auf uns reagiert.
Wie geht es Dir? Fällt es Dir leichter mit jemanden zu sprechen, den Du bereits kennst und mit dem du gute oder zumindest neutrale Erfahrungen gesammelt hast? Oder fällt es Dir leichter mit einer fremden Person ein Gespräch anzufangen?
Natürlich finde ich es gut, wenn ich mein Nervensystem darauf trainiere, dass ich mich wohl fühle, mit unbekannten Personen ins Gespräch zu kommen (alles andere würde mich als Workshopleiter mit der Zeit fertig machen). Manche sagen auch: Raus aus der Komfortzone, rein ins Gespräch.
Doch auch ich fühle mich einfach wohl, wenn ich gute Freunde und Bekannte treffe und einfach mal plaudern kann.
Das Nervensystem – der Mere-Exposure-Effekt beruhigt
Unser Nervensystem ist darauf ausgelegt, unser Überleben zu sichern. Deshalb schätzt unser Nervensystem unbewusst in Hundertstel-Sekunden ein, ob eine Person sicher, gefährlich oder lebensgefährlich ist. Dabei greift es auf bisherige Erfahrungen zurück.
Personen, die es bereits kennt und die wenigstens das Label „neutral“ bekommen, schätzt es eher als sicher ein (hat mich bisher nicht angegriffen, beleidigt oder getötet – gut so!).
So kann es sogar sein, dass man in einer Gruppe unbekannter Menschen dann doch lieber ein Gespräch mit einer Person anfängt, die man nicht ganz so mag, als mit einer völlig neuen Person. Frei nach dem Motto: Mag ich zwar nicht, aber ich habe überlebt.
Sicherheit schaffen in Gruppen
In meinen Workshops versuche ich deshalb schnell ein Gefühl von Sicherheit aufzubauen.
Ich möchte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Sicherheit mit mir vermitteln, indem ich mich menschlich zeige. Zum anderen fördere ich das Kennenlernen unter den Teilnehmenden, damit die Nervensysteme schnell zu der Einschätzung kommen: Ich bin sicher.
Raus aus der Komfortzone, rein in die Komfortzone
Ich glaube: Je mehr positive Erfahrungen das Nervensystem mit bisher unbekannten Menschen macht, umso sicherer fühlt es sich mit bisher unbekannten Menschen. Du musst also einige Mal aus der Komfortzone raus, damit „Gespräche mit neune Menschen anfangen“ zu Deiner neuen Komfortzone wird.
Kommunikation lernt man durch Kommunikation. Komfortzone wächst durch verlassen der Komfortzone. Jede neue Bekanntschaft ist eine neue Übung für das Nervensystem: Ich bin sicher. Ich überlebe – und vielleicht sogar: Neue Menschen kennenlernen macht Spaß! 😊
Einzige wichtig: Nicht immer nur raus aus der Komfortzone. Sondern richtige Dir auch Zeiten ein, wo Du innerhalb Deiner Komfortzone bist und relaxen kannst.
Der Mere-Exposure-Effekt des Neuen
Irgendwann hast Du einen Mere-Exposure-Effekt mit neuen Situationen: Kenne ich schon. Ist sicher. Ab ins neue Gespräch.
Genauso war es übrigens bei meinen Workshops. Natürlich war ich wahnsinnige aufgeregt vor dem ersten Freundschftsworkshop. Heute weiß man Nervensystem: Ja, da kommen neue Leute. Doch Du bist so wie immer sicher. Es ist mir eine Freude dabei zu sein, wenn neue Freundschaften entstehen oder wir uns über Fragen der Freundschaft austauschen.
♾ Öfter kommen & Freunde werden
Deshalb habe ich drei Vorschläge für Dich:
- Übe Dich darin, immer wieder unter neue Menschen zu kommen und dabei positive Erfahrungen für Dich und Dein Nervensystem zu sammeln.
- Es ist für viele normal, dass man sich mit neuen Menschen und Gruppen am Anfang unsicher fühlt. Bei mehrmaligem Kontakt nimmt diese Unsicherheit ab und wird zu Sicherheit – und manchmal sogar Spaß! (Yeah! Neue Gruppe!)
- Wenn Du mit Menschen & Gruppen den Kontakt vertiefen möchtest, komm einfach immer wieder. Du fühlst Dich wohler mit der Gruppe. Gleichzeitig fühlt sich die Gruppe jedes Mal vertrauter mit Dir.
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- [1] Berscheid & Reis (1998). Attraction and close relationships. In: Gilbert, Fiske & Lindzey (Hrsg.): The handbook of social psychology. New York: McGraw-Hill (auf Amazon kaufen (Werbung)A)
- [2] Festinger, L., Schachter, S., & Back, K. (1950). Social pressures in informal groups; a study of human factors in housing. Harper.